Die Legierung, die für A. Lange & Söhne Uhren typisch ist, wurde vor 200 Jahren erfunden und fasziniert noch heute. Neusilber, so schön wie anspruchsvoll, A. Lange & Söhne Uhren
Die Dreiviertelplatine wurde 1864 von Ferdinand Adolph Lange eingeführt und ist ein markantes Merkmal der Zeitmesser von A. Lange & Söhne. Dieses Bauteil wurde bereits in den historischen Taschenuhren der Glashütter Manufaktur verwendet und teilweise aus naturbelassenem Neusilber hergestellt - einer Legierung, die 1823 in Sachsen eingeführt wurde. Auch seit der Neugründung der Manufaktur im Jahr 1990 werden Platinen, Brücken und Kloben aus diesem Material hergestellt. Doch was sind die besonderen Eigenschaften dieses Werkstoffs und wie kam er zu seinem Namen?
Die Gehäuse der Zeitmesser von A. Lange & Söhne sind in verschiedenen Edelmetallvarianten und seit 2019 auch aus Stahl erhältlich. Im Inneren haben alle Uhren jedoch etwas gemeinsam: das Gestellmaterial Neusilber. Das Gestell umfasst beispielsweise die Werkplatte, die Dreiviertelplatine, den Unruhkloben und den Ankerradkloben. Es handelt sich um eine Gruppe flächiger und tragender Bauteile, die nicht unmittelbar an der Übertragung von Kräften beteiligt sind.
Bereits Ferdinand Adolph Lange verwendete ab Mitte des 19. Jahrhunderts Neusilber für einzelne Taschenuhren. Zuvor bestanden die Gestellteile üblicherweise aus oberflächenveredeltem Messing oder gehärtetem Stahl. Die damals noch recht neue Legierung, hauptsächlich aus Kupfer, Zink und Nickel, besaß die Eigenschaften, die Lange für seine Uhrwerke benötigte. Neusilber kann ebenso wie Messing ausgezeichnet dekoriert werden. Es ist jedoch etwas härter und allgemein korrosions- und anlaufbeständiger. Daher kann es ohne Vergoldung eingesetzt werden und bildet mit der Zeit nur eine sehr leichte Patina aus. Zudem ist Neusilber verschleißfester und besitzt eine höhere Festigkeit, Zähigkeit und Steifigkeit.
Neben den positiven Materialeigenschaften gab es mit großer Wahrscheinlichkeit einen weiteren Grund für die Verwendung: den Verkauf von Zeitmessern in die USA. Dort wurden Importe von Edelmetallen, insbesondere Gold, mit hohen Schutzzöllen belegt. Daher mussten Alternativen für die edlen Gehäuse sowie für Uhrwerke aus vergoldetem Messing gefunden werden. Die Annahmen erscheinen folgerichtig, da bereits frühe Lange-Taschenuhren ohne Gehäuse in die USA verkauft wurden. Zudem gerieten die bis dahin üblichen, vergoldeten Messingplatinen unter Verdacht, aus massivem Gold zu bestehen, da man eine Vergoldung nicht von dem massiven Edelmetall unterscheiden konnte. Dies war für die weitere Ausfuhr zu riskant. Neusilber war damals ebenso eine Alternative für echtes Silber, dessen Verfügbarkeit durch den versiegenden Bergbau im Osterzgebirge stetig abnahm.
Der Ursprung der Legierung liegt in China. Im 17. Jahrhundert wurden erstmals Metallwaren aus der Kupfer-Zink-Nickel-Legierung „Packfong“ nach Europa importiert. Da der Import umständlich und kostspielig war und ein ebenso robustes Material den stetig wachsenden Bedarf an Essbestecken, Geschirr und neuen feinmechanischen Teilen decken sollte, mussten zunächst die Bestandteile der Legierung entschlüsselt werden. Dies gelang schließlich im 18. Jahrhundert.
Im Jahr 1823 wurde der Durchbruch zur europäischen industriellen Erzeugung von Neusilber durch ein Preisausschreiben des „Vereins zur Förderung des Gewerbefleißes“ zur Erfindung eines alternativen Materials, das keine giftigen Verbindungen enthält, markiert. Der sächsische Naturwissenschaftler und Arzt Ernst August Geitner (1783 – 1852) gewann den Wettbewerb. Geitner hatte in Leipzig studiert, promoviert und 1810 eine kleine Fabrik zur Herstellung von Farben für die Textilindustrie im Westerzgebirge gegründet. Er entwickelte ein Verfahren zur Herstellung einer Legierung mit silberähnlichem Aussehen, die sich aufgrund ihres Glanzes und ihres Preisvorteils durchsetzen konnte. Geitner bezeichnete das neue Metallgemisch zunächst als „Argentan“, angelehnt an das lateinische Wort für Silber „argentum“. Auch die Bezeichnung „Alpacca“ war insbesondere bei Essbestecken üblich. Aufgrund seiner Entstehungsgeschichte wird der Werkstoff, der heute unter dem Namen Neusilber bekannt ist, im Englischen auch als 'German silver' und im Spanischen als 'plata alemana' bezeichnet.
Neusilber überzeugt auch heute noch durch seine positiven Eigenschaften. Es besitzt eine Festigkeit, die sich hervorragend dazu eignet, Oberflächen von Hand zu schleifen, zu polieren oder zu gravieren. Aufgrund seiner höheren Stabilität eignet es sich hervorragend für Gestellteile, insbesondere in Werken äußerst komplizierter Uhren, in denen die Spielräume minimal sind. Das silberähnliche Aussehen erhält es durch die Beimischung von Zink und vor allem Nickel. Der Zusatz von Nickel trägt dazu bei, dass das Material im Laufe der Zeit einen warmen, dezent gelbgoldschimmernden Farbton annimmt und keine unschönen Korrosionen entstehen. Neusilber benötigt daher keine galvanische Beschichtung wie beispielsweise eine Vergoldung und kann unbehandelt bleiben. Vor allem die mit der Zeit entwickelte Patina verschafft Neusilber ein besonderes Attribut: Es altert in Würde.
Bei der ersten Montage des Uhrwerks muss auch ein erfahrener Uhrmacher die Dreiviertelplatine mehrmals aufsetzen und wieder demontieren, bis jedes Zahnrad des Räderzuges das optimale Höhenspiel besitzt. Da Reinheit beim Umgang mit Neusilber unabdingbar ist, tragen die Uhrmacher Fingerlinge. Und um der Komplexität der Montage und unserem Qualitätsanspruch Rechnung zu tragen, werden die Uhren von A. Lange & Söhne mit größter Sorgfalt zweifach montiert.
Die Neusilberteile kommen besonders im Zusammenspiel mit den weiteren, ebenfalls sorgfältig finissierten Werkteilen zur Geltung. Dazu zählen Stahlteile wie Wellen, Hebel oder Federn, vergoldete Zahnräder und massivgoldene Chatons, rote Rubine und gebläute Schrauben. Dieses Farbspiel und die Materialästhetik können durch den Saphirglasboden jederzeit bewundert werden.
Tino Bobe, der Direktor der Manufaktur, erklärt: "Neusilber findet sich in allen unseren mehr als 70 Manufakturkalibern wieder, die seit dem Neubeginn von A. Lange & Söhne entwickelt und gefertigt wurden. Insofern ist die konsequente Verwendung typisch für die Lange’sche Art, Uhren zu fertigen. Es unterstreicht unseren Anspruch, stets den Weg zu wählen, der zum besten Ergebnis führt. Wir nehmen größten handwerklichen Aufwand in Kauf, um die Qualität, Schönheit und Funktionalität unserer Uhrwerke zu gewährleisten – nicht nur in Bezug auf Neusilber, sondern auch darüber hinaus."
Über A. Lange & Söhne
1845 gründete der Dresdner Uhrmacher Ferdinand Adolph Lange seine Uhrenmanufaktur und legte damit den Grundstein für die sächsische Feinuhrmacherei. Seine hochwertigen Taschenuhren sind bei Sammlern weltweit noch immer sehr begehrt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Unternehmen enteignet und der Name A. Lange & Söhne geriet beinahe in Vergessenheit. Im Jahr 1990 wagte Walter Lange, der Urenkel von Ferdinand Adolph Lange, den Neubeginn. Bei Lange werden pro Jahr nur wenige Tausend Armbanduhren überwiegend aus Gold oder Platin hergestellt. In ihnen arbeiten ausschließlich im eigenen Haus entwickelte und aufwendig von Hand dekorierte und montierte Uhrwerke. A. Lange & Söhne nimmt mit 71 Manufakturkalibern seit 1990 eine Spitzenposition in der Uhrenwelt ein. Zu den großen Erfolgen zählen die LANGE 1 mit dem ersten Großdatum in einer in Serie gefertigten Armbanduhr und die ZEITWERK mit ihrer exakt springenden Ziffernanzeige. Außergewöhnliche Komplikationen wie die ZEITWERK MINUTENREPETITION, der DATOGRAPH PERPETUAL TOURBILLON oder der TRIPLE SPLIT stehen für das Bestreben der Manufaktur, ihre traditionsreiche Kunst zu immer neuen Höhen zu führen. Die 2019 eingeführte ODYSSEUS aus Edelstahl markiert den Beginn eines neuen Kapitels für die Manufaktur.
Quelle: A. Lange & Söhne / Lange Uhren GmbH
Donnerstag, 18. Januar 2024 - 21:10