Vor mehr als einem Jahrhundert hat Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie die Art und Weise, wie die Menschheit das Universum betrachtet, auf den Kopf gestellt, und seither haben die Wissenschaftler entdeckt, dass die Zeit keineswegs stabil zu sein scheint. Eine der unheimlichen Implikationen der allgemeinen Relativitätstheorie ist, dass die Zeit oben auf der Weltleiter schneller vergeht als unten.
Dieses erstaunliche Phänomen tritt auf, weil die Schwerkraft umso stärker wirkt, je näher ein Objekt der Erde ist. Und da die allgemeine Relativitätstheorie die Schwerkraft als Krümmung von Raum und Zeit beschreibt, vergeht auch die Zeit langsamer, je höher und weiter man sich von der Erde entfernt, wo die Schwerkraft weniger Einfluss hat.
Wenn also die Zeit mit der Schwerkraft zusammenhängt: Heißt das, dass Menschen auf Berggipfeln schneller altern als auf Meereshöhe? Verlangsamt die erhöhte Schwerkraft den Alterungsprozess?
Tatsächlich vergeht die Zeit für alle Objekte, die sich außerhalb des Gravitationsfeldes befinden, wie zum Beispiel der Planet Erde, langsamer. Dies hat zur Folge, dass Menschen, die in großen Höhen leben, etwas schneller altern als Menschen, die sich in der Raumzeit auf Meereshöhe bewegen.
Durch die Schwerkraft werden wir - im Vergleich zu anderen Menschen - langsamer alt. Wir altern um einen sehr kleinen Betrag langsamer als Menschen, die sich nicht in der Nähe von massiven Objekten aufhalten. Denn für diesen Menschen entwickelt sich die ganze Welt um uns herum unter dem Einfluss der Schwerkraft immer langsamer.
Die Unterschiede sind klein, aber messbar. Wenn man 30 Jahre auf dem Mount Everest in 8848 Meter Höhe verbringt, ist man 0,91 Millisekunden älter, als wenn man die gleichen 30 Jahre auf Meereshöhe verbringt. Ähnlich verhält es sich, wenn sich Zwillinge, die auf Meereshöhe leben, für 30 Jahre trennen. Einer der Zwillinge zieht nach Boulder, Colorado, USA, in eine Höhe von 1600 Metern, während der andere am selben Ort bleibt. Bei der Wiedervereinigung wäre der höher lebende Zwilling 0,17 Millisekunden älter als sein Zwilling.
In einem verblüffenden Experiment haben Forscher mit einer der genauesten Atomuhren der Welt nachgewiesen, dass die Zeit selbst in einer Höhe von nur 0,2 Millimetern über der Erdoberfläche schneller vergeht.
Es ist nicht nur eine Rechnung. Wissenschaftler haben Veränderungen im Ticken von Uhren in einem Abstand beobachtet, der etwa der Breite eines menschlichen Haares entspricht.
Der Schlüssel zum Verständnis, warum massive Objekte den Fluss der Zeit verzerren, liegt in der Erkenntnis, dass die "Raumzeit" ein vierdimensionales Gewebe aus drei Raumkoordinaten (oben/unten, rechts/links und vorwärts/rückwärts) und einer Zeitkoordinate (Vergangenheit/Zukunft) ist. Im relativistischen Modell spricht man von Gravitation, wenn ein Objekt mit Masse dieses Gewebe verzerrt und damit Raum und Zeit als Ganzes deformiert.
Die Raumzeit wird von allem beeinflusst, was Masse hat. In der Nähe eines massebehafteten Objekts wird die Raumzeit verzerrt, der Raum verformt und die Zeit verlangsamt.
Der Effekt ist real und messbar. In Alltagssituationen ist er jedoch vernachlässigbar.
Dieses Phänomen - auch gravitative Zeitdilatation genannt - kann jedoch in nicht alltäglichen Situationen unangenehm werden. Nach Angaben von Wissenschaftlern müssen GPS-Satelliten, die in einer Höhe von 1.886 Kilometern um die Erde kreisen, berücksichtigen, dass ihre Uhren um 45,7 Mikrosekunden schneller gehen als die 24-Stunden-Uhren unter ihnen.
Die Genauigkeit des GPS ist wahrscheinlich die wichtigste Auswirkung der Relativitätstheorie auf die Zeit. Sie [die GPS-Satelliten] bewegen sich mit hoher Geschwindigkeit und in großer Entfernung von der Erde. Daher müssen die relativistischen Effekte von Geschwindigkeit und Schwerkraft sorgfältig berücksichtigt werden, damit wir unsere Position auf dem Globus mit hoher Genauigkeit bestimmen können.
Dass uns die Schwerkraft tatsächlich langsamer altern lässt, wird deutlich, wenn wir uns unserem Zuhause nähern. Natürlich sind das in der Regel nur Millisekunden, und das Gehen auf Meereshöhe ist wohl kaum eine wirksame Anti-Aging-Strategie. Aber gerade abseits von Massenobjekten ist Zeit kostbar und vergänglich.
Quelle: Live Science / Text: Daniel Heckmann / Bild: 0fjd125gk87 auf Pixabay
Sonntag, 05. Februar 2023 - 19:28